Steuernachzahlung bei Kurzarbeitergeld: Warum ändert sich nichts?

Weniger Verdienst, mehr Abgaben – Politik bleibt unentschlossen

Erst die Corona-Lockdowns, jetzt die Inflation und Energiepreis-Explosionen – die Wirtschaft strauchelt von einer Krise zur nächsten. Damit zumindest die Arbeitsplätze einigermaßen gesichert werden können, hat die Politik ein wirksames Werkzeug im Instrumentenkasten: das Kurzarbeitergeld.

Und das wird wohl noch weiterhin nötig sein. Das Bundeskabinett hat jetzt sogar auch das Kurzarbeitergeld für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer geöffnet.

 

So können Angestellte vorerst vielleicht einmal durchatmen. Aber ein grundlegendes Problem ist damit noch nicht beseitigt: Wer Kurzarbeitergeld bezieht, muss für das entsprechende Arbeitsjahr eine Steuererklärung einreichen. Und dann werden nicht unerhebliche Steuernachzahlungen fällig.

 

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Der Grund ist steuerrechtlich etwas komplex: Kurzarbeitergeld unterliegt wie das Arbeitslosengeld I oder das Krankengeld als steuerfreie Ersatzleistung dem „Progressionsvorbehalt“. Das Kurzarbeitergeld wird also zur Steuersatzerhöhung beim normalen Arbeitslohn herangezogen. Nähere Erläuterungen gibt es hier…

 

Bedeutet also: Weniger Geld verdienen, aber mehr Steuern zahlen. Und das ausgerechnet jetzt, wo die Menschen ohnehin schon belastet sind…?

Wie kann das sein?

SPD: „Änderung der Regelung verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz“

Bereits vor anderthalb Jahren hatten wir beim Bundesfinanzministerium nachgefragt. Warum kann diese Regelung nicht zu Gunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entschärft werden?

Die damalige Begründung (wohlgemerkt noch unter „Corona-Krisen-Bedingungen“), kurz gefasst: Eine Änderung bei Beschäftigten, die Kurzarbeitergeld beziehen, würde gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Denn Beschäftigte, die kein Kurzarbeitergeld beziehen (z.B. Pflegekräfte), wären dadurch benachteiligt.

Hier die ausführliche Erläuterung…

Damals wurde das Ministerium noch von der SPD geführt (von einem gewissen Olaf Scholz als Finanzminister); inzwischen bekleidet Christian Lindner das Amt, der Vorsitzende der „Steuersenkungspartei“ FDP.

 

Könnte sich also etwas ändern?

FDP will Progressionsvorbehalt auf Tagesordnung setzen – wenn Kurzarbeit wieder zunimmt

Nicht wirklich, erklärte uns vor kurzem MdB Markus Herbrand, finanzpolitischer Sprecher der Liberalen.

 

Denn mit ihrer Forderung zur Abschaffung des Progressionsvorbehalts habe die FDP in der Ampel-Koalition keine Zustimmung erhalten.

Allerdings betonte Herbrand auch: „Wenn sich die Sachlage ändert (…), werde ich mit unseren Ampelpartnern das Gespräch suchen, um für die Aussetzung des Progressionsvorbehalts in diesen Corona-Zeiträumen zu werben.“

 

FDP-Herbrand-Kurzarbeitergeld

 

Nun hat sich die Sachlage geändert. Wegen Corona müssen Betriebe eigentlich keine Kurzarbeit mehr anmelden, wohl aber wahrscheinlich bei einer Rezession und Wirtschaftskrise wegen der Energiepreise.

Wir haben also erneut nachgefragt. Nun antwortet uns der Abgeordnete: „Aktuell ist trotz Inflation und Energiekrise kein Einbruch am Arbeitsmarkt, sondern eher das Gegenteil zu beobachten. Die Corona-Situation von 2020 oder 2021 ist auch nur bedingt vergleichbar mit den aktuellen Herausforderungen. Damals waren Lockdowns und der Zusammenbruch von globalen Lieferketten hauptursächlich für temporäre Betriebsschließungen und damit verbundene Kurzarbeit.

Heute stellt sich die Situation anders dar, und die Wirtschaft läuft bislang erfolgreich weiter. Sollte die Anzahl von Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeitern in der Zukunft deutlich zunehmen, gehört aber auch das Thema des Progressionsvorbehalts wieder auf die Tagesordnung. Gerade in unsicheren Zeiten mit steigenden Preisen wäre es kaum vermittelbar, dass das Kurzarbeitergeld Steuernachzahlungen verursacht.

Gemeinsames Ziel der Ampel muss es sein, den Menschen in herausfordernden Zeiten keine zusätzlichen Schwierigkeiten durch Steuernachzahlungen oder die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung zu bereiten.“

 

Zumindest scheint die FDP das Problem erkannt zu haben. Gehandelt wird aber offenbar erst, wenn die tatsächliche Krise eintrifft. Hoffentlich dann nicht zu spät

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Foto: salesblog.at/Pixabay

 


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