Klärschlamm-Unglück: Wie konnte das passieren?

BRW-Geschäftsführer stellte sich den Fragen des Umweltausschuss in Hilden

Der 17. Januar war ein „rabenschwarzer Tag“ für den Bergisch-Rheinischen Wasserverband (BRW), aber auch für die Itter und die Fische. Das erklärte Geschäftsführer Dipl.-Ing. Engin Alparslan am Donnerstag, 2. März, vor dem Umweltausschuss der Stadt Hilden in seinem Bericht über das Unglück im Klärwerk in Solingen-Ohligs

Zur Erinnerung: ein Klärschlammbehälter war gerissen, ca. 3000 Kubikmeter Faulschlamm haben sich über das Betriebsgelände ergossen; ein Teil ist auch in den Fluss Richtung Hilden gelangt. Danach sind diverse tote Fische am Ufer entdeckt worden.

Die Reste des Turms und die miefige Masse sind inzwischen abgeräumt – aber es bleiben viele Fragen: Wie konnte dieses Unglück überhaupt passieren?

 

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Korrosion im Spannstahl

Eigentlich sollte ein solcher Behälter aus Stahl und Beton nicht brechen. Der Turm wurde in den 70er Jahren erbaut, nach damals geltenden Regeln und Normen.

 

Was also ist passiert? Vereinfacht gesagt: Spannstahl sollte eigentlich dafür sorgen, dass der Beton in der Form hält – wie in einem Korsett. Dieser sei aber „durch Schlamm wässrig“ geworden, was zu einer Korrosion geführt habe, so dass sich „schleichend“ von innen ein hoher Druck auf die Betonwand aufgebaut habe, bis sie schließlich gebrochen ist.

Eine „meterhohe und gewaltige Welle“ habe sich ausgebreitet. Es sei ein Glück gewesen, dass dabei keine Menschen verunglückt sind.

 

Wie stark wurde die Itter belastet?

Dank der hohen Fließgeschwindigkeit sei der Faulschlamm kurz danach im Rhein gelandet, berichtete Alparslan. Tagelang wurden Wasserproben entnommen. Dabei seien „keine Schadstoffbelastungen“ festgestellt worden. Die Qualität sei „wie vorher“ gewesen.

 

Und was ist mit den Fischen? Der Faulschlamm habe dem Wasser den Sauerstoff entzogen, daher seien sie verendet. In einigen Fällen könnten sich auch die Kiemen verklebt haben, erklärte der BRW-Ingenieur, stellte gleichzeitig klar: „Klärschlamm ist kein gefährlicher Stoff“ – im Sinne von „toxisch“.

 

Man wolle nun den Frühling abwarten und prüfen, ob der Klärschlamm sich auch auf Makrozoobenthos – also die Nahrungsquelle für Fische – ausgewirkt habe. Ob und von wem die Lücke im Fischbesatz wieder ausgeglichen würde, sei noch nicht klar.

 

Und wie kann so eine Havarie in Zukunft vermieden werden?

Ein Faulturm in ähnlicher Bauart in Gräfrath werde derzeit außer Betrieb genommen, sagte Alparslan aus Nachfrage. Doch das Abpumpen und die Entsorgung des Schlamms würde erst einmal viel Zeit in Anspruch nehmen.

 

Und was ist mit den weiteren ca. 15 Türmen beim BRW?

Da blieb Alparslan noch im Ungefähren; denn die Lage scheint noch nicht ganz klar zu sein. Eine Aussage konnten die Ausschuss-Mitglieder ihm aber entlocken: „Wir wollen die Behälter sukzessive erneuern.“ Das könne aber Jahre dauern – und „irgendjemand muss dies auch bezahlen“, so der BRW-Vertreter.

 

Wer ist eigentlich für was zuständig?

Hinzu kommt ein Kompetenz-Wirrwarr, wie aus der Antwort des BRW zu einer Anfrage der Grünen hervorgeht: „Die Verantwortung für die Planung, den Bau und den Betrieb der Kläranlage Solingen-Ohligs sowie die Gewässerunterhaltung und der Ausgleich der Wasserführung im Gewässerlauf unterhalb dieses Klärwerks obliegt dem BRW. Für die Überwachung des Kläranlagenbetriebes ist die Bezirksregierung Düsseldorf, und für die Überwachung der Gewässereinleitungen auf Hildener Stadtgebiet ist die Untere Wasserbehörde des Kreises Mettmann zuständig. Die Kläranlage Solingen-Ohligs und der Havarie-Ort liegt auf Solinger Stadtgebiet. Somit ist die Untere Wasserbehörde der Stadt Solingen zuständig.“

 

Genau das sieht Ratsfrau Helen Kehmeier (Grüne) als „großes Problem“ an: „Es zeigt sich, dass es viele – offenbar unabhängig voneinander agierende – Akteure für den Zustand der Itter gibt“, schreibt sie in einer Pressemitteilung. „Es darf nicht sein, dass es so schwierig ist einen Gesamtüberblick zu bekommen. Unsere Itter als wertvollen Lebensraum für Mensch und Tier zu bewahren und ihren Zustand zu verbessern muss unser gemeinsames Ziel sein. Aber dafür brauchen wir regelmäßige, vergleichbare Überprüfungen und ein enges Zusammenarbeiten der Akteure.“

 

Außerdem ergänzt sie im Gespräch mit anzeiger24.de: „Die Itter ist ökologisch in einem ’schlechten‘, chemisch in einem ’nicht guten‘ Zustand [Landesumweltbericht für die Gewässerbewirtschaftung 2022-2027, pdf-Dokument Seite 110]. Es gibt vor allem viele Medikamenten-Rückstände. Das müssen wir dringend verbessern.“ Auch dürfe es keine weiteren Bebauungen mehr nahe der Itter geben. 

Da es aber für solche Beschlüsse die vielen Zuständigkeitsbereiche gibt, regt sie einen „Arbeitskreis Itter“ an, in dem nicht nur der Hildener Umweltausschuss, sondern auch BRW, beteiligte Behörden etc. vertreten sind.    

 

Die Grünen wollen daher das Thema weiter im Blick haben

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Fotos/Collage: anzeiger24.de/Pixabay

 


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