Kurioses EU-Vergabeverfahren – weder wettbewerbsförderlich noch klimafreundlich
Wenn ab dem 7. August 2023 das nächste Schuljahr beginnt, werden wieder neue Schulbücher an die Klassen verteilt. Soweit so normal.
Und eigentlich sollte der Einkauf für eine Kommune eine einfache Sache sein – ist es aber (natürlich) nicht.
Denn: Eine Stadtverwaltung kann sich nicht „einfach so“ an eine lokale oder regionale Buchhandlung wenden. Da es sich um eine Anschaffung der öffentlichen Hand handelt, muss der Einkauf auch öffentlich ausgeschrieben werden – und das europaweit.
Ergebnis: Der Auftrag für die Schulbuchbestellung 2023/2024 an städtischen Schulen in Hilden wurde an die Firma VALTI Technik und Medien vergeben. Und die sitzt in Berlin.
Wie kommt’s?
Anlieferung: Einmal quer durch die Republik
Zum neuen Schuljahr hat die Stadt Hilden neue Schulbücher im Umfang von 135.000 Euro eingekauft, Nachbestellungen nicht berücksichtigt.
„Für Dienst- und Lieferleistungen unterhalb der EU-Schwelle (derzeit 215.000 Euro) gelten die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO), die kommunalen Vergabegrundsätze NRW sowie die per Dienstanweisung festgelegten Wertgrenzen der Stadt Hilden. Danach ist ab einem Auftragswert in Höhe von 75.000 Euro netto öffentlich oder beschränkt auszuschreiben“, erklärt uns die Stadt Hilden.
Klingt irrwitzig und absurd, hat aber nunmal seinen Grund: Durch öffentliche Ausschreibungen sollen Klüngelei oder Vetternwirtschaft vermieden werden. So soll beispielsweise ein Sachbearbeiter nicht seinem „Lieblingshändler“ oder -dienstleister einen Auftrag zuschreiben und dadurch andere Wettbewerber benachteiligen.
Allerdings zeigt das Beispiel auch, welche Blüten dieses System treiben kann: Wenn die Firma VALTI aus der Bundeshauptstadt den Zuschlag erhalten hat, werden die Bücher dann auch einmal quer durch die Republik transportiert? Das konnte uns die Stadt Hilden leider auch nicht sagen. Und auch die Geschäftsleitung von VALTI hat auf unsere Anfrage bis zum Wochenende nicht geantwortet.
Es ist aber anzunehmen, dass die Ware einen weiten Lieferweg zurücklegen dürfte.
Ist das wirklich nötig…?
Zuschlag wird per Los entschieden
Es stellt sich auch die Frage: Wegen der Buchpreisbindung kosten die Bücher ja prinzipiell überall das gleiche. Nach welchen Kriterien wird also der Buchhändler bei der Ausschreibung ausgesucht?
Erstaunliche Antwort: „Der Auftragnehmer wird bei den Schulbuchbestellungen per Los ermittelt.“
Noch so eine Kuriosität beim EU-Vergaberecht: die Regelung erscheint nicht wirklich wettbewerbsförderlich und auch nicht klimafreundlich.
Die Stadtverwaltung sieht sich aber stets dem „Recht und Gesetz“ verpflichtet, auch wenn es in manchen Fällen seltsam erscheint…
Bericht: Achim Kaemmerer
Foto: Alexas_Fotos/Pixabay
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