Kostenlose Menstruationsartikel an Schulen: Zoff zwischen SPD und Bürgeraktion

Maßnahme gegen ‚Perioden-Armut‘ oder ‚Selbstbedienungsmentalität‘?

Schülerinnen an weiterführenden Schulen in Hilden sollen die Möglichkeit bekommen, kostenlose Menstruationsartikel zu erhalten. Diesem Antrag der SPD hat der Schul- und Sportausschuss am 10. November mehrheitlich zugestimmt. „Denkbar ist die Anschaffung hygienischer und vandalismussicherer Spender für Damenbinden und Tampons, die eine kontrollierte Ausgabe ermöglichen“, heißt es im Antragstext.

Der SPD will eine Hilfestellung bei „Perioden-Armut“ bieten, wenn sich Mädchen aus Familien mit geringem Einkommen diese Hygiene-Produkte nicht mehr leisten könnten: „Sie beginnen Stoffreste zu benutzen, die eine gesundheitliche Gefahr darstellen und nehmen weniger bis gar nicht am gesellschaftlichen Leben teil, so dass auch soziale und psychische Probleme entstehen.“ In Schottland und Düsseldorf gebe es bereits einige Vorzeigeprojekte.

 

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Auch die Stadtverwaltung kann der Initiative etwas abgewinnen: „Die Bereitstellung von kostenlosen Hygieneartikeln ermöglicht Frauen eine gleichberechtigtere Teilhabe am gesellschaftlichen und öffentlichen Leben, da das Thema Menstruation durchaus ökonomische Auswirkungen auf Frauen haben kann, die eine gleichberechtigte Teilhabe einschränken“, so die Stellungnahme. „Es ist nicht auszuschließen, dass Mädchen keinen ausreichenden Zugang zu Menstruationsartikeln haben. Menstruationsartikel im Schulalltag für alle Mädchen und junge Frauen sichtbarer zu machen trägt dazu bei, das Thema in die allgemeine Aufmerksamkeit zu rücken.“

 

Bürgeraktion: „Politik soll sich um drängendere Probleme kümmern“

Alleine die Bürgeraktion stimmte gegen den Antrag. Die Fraktionsvorsitzenden Ludger Reffgen und Doris Spielmann-Locks (Fotos oben rechts) erklären auf Nachfrage von anzeiger24.de, dies sei keine vordringliche Aufgabe der Stadt: „Glaubt man der SPD, spielen sich auf hiesigen Schultoiletten alltäglich dramatische Tragödien ab. Die Darstellung lässt viele fragen, ‚wie Generationen von Frauen und Mädchen bisher, ohne den Service kostenloser Tampons und Binden, hatten durchs Leben kommen können‘. Darüber hinaus stellt sich die Frage: Wie schaffen es Frauen und Mädchen als Auszubildende und Mitarbeiterinnen in Betrieben ohne solchen Komfort? Und: Mit welchem Recht sollen Schülerinnen gegenüber Auszubildenden und Werktätigen bevorzugt werden?“

 

Die Bürgeraktion befürchtet eher „Vandalismusattacken“ und eine „maßlose Selbstbedienungsmentalität“ und meint: „Die SPD bauscht unter Rückgriff auf Vorkommnisse in England ein Thema zu einem Riesenproblem auf, das hierzulande gar nicht so ausgeprägt ist. Spenderboxen für Periodenartikel sind als Idee aus der ‚Schön-zu-haben-Welt‘ sicher nett vorstellbar, aber wir finden sie eben nicht so überzeugend und wichtig, dass wir zu der Auffassung kommen könnten, Frauen und Mädchen seien ohne ein solches Angebot vernachlässigt. Wir finden, es gibt drängendere Sorgen der Bevölkerung, um die sich Politik kümmern sollte.“ Zum Beispiel die hohen Energiekosten und „wirklich existenziellen Sorgen“.

 

SPD: „Argumentation der BA ist zynisch und verantwortungslos“

Das will die SPD aber so nicht stehen lassen: „Über die Argumentation der Bürgeraktion können wir nur den Kopf schütteln“, sagt Ausschusssprecherin Sarah Buchner (Foto oben links). „Wir halten es für verantwortungslos, dass die Bürgeraktion die jungen Frauen in solchen Situationen gänzlich im Stich lässt und jede Einzelne sich selbst überlässt.“

 

Dominik Stöter (unten links), stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD, ergänzt: „Junge Frauen in dieser Ausnahmesituation lapidar aufzufordern, sich entsprechende Artikel ‚doch einfach im Sekretariat holen zu können‘, halten wir für zynisch. Während der Antrag darauf setzt, dass die jungen Frauen die Artikel selbst diskret aus entsprechenden Spendern beziehen, soll es also stattdessen für sie erst einmal quer durch Schule und Mitschüler*innen zum Sekretariat gehen. Selbstverständlich kann man hier – wie bei jedem Antrag – unterschiedlicher Ansicht sein. Die BA aber zeigt mit Ihrer Argumentation und dem Abstimmungsverhalten wieder einmal, dass sie sich nur dann für Interessen einsetzt, wenn sie daraus schnell politisches Kapital schlagen kann.“

 

Wie auch immer: Der Antrag ist mehrheitlich angenommen, bis zur Umsetzung dauert es aber noch ein wenig. Die Verwaltung soll sich nun ein Konzept überlegen und in einer der nächsten Ausschusssitzungen vorstellen.

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Foto: A.Koch/Pily63 / Fraktionen SPD/Bürgeraktion / Collage: anzeiger24.de

 


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