Mobilitätskonzept: Wird Hilden immer unattraktiver für PKW?

Stadtentwicklungsausschuss diskutierte: Wie realistisch sind Szenarien für mehr ÖPNV und Radverkehr?

Ein hehres und erstrebenswertes Ziel hat sich der Stadtentwicklungsausschuss (StEA) am 15. März gesetzt: Weniger PKW-Verkehr, folglich weniger Blechlawinen, Lärm und Abgase in der Stadt einerseits – auf der anderen Seite sollen mehr Menschen zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV unterwegs sein.

Klingt alles prima, aber wie soll das praktisch umgesetzt werden? Und vor allem: Wie soll die Bevölkerung da mitgenommen und überzeugt werden?

Die Diskussion zwischen den Fraktionen offenbarte, dass die berechtigten Wünsche auch mit der Realität vereinbart werden müssen.

Worum geht’s?

Die Stadt arbeitet derzeit an einem so genannten „Mobilitätskonzept“. Es soll die Richtung vorgeben, wie wir uns in Hilden zukünftig fortbewegen – und im Idealfall alles klimaneutral bis 2035.

Es gab bereits zwei Bürgerveranstaltungen (wobei das zweite nur noch mäßig besucht wurde) sowie einen Workshop der politischen Parteien.

Zusammen mit der Planungsgesellschaft büro stadtVerkehr wurde daraufhin ein Maßnahmenkatalog erstellt.

Daraus wiederum entstanden drei „Szenarien“ mit einzelnen Maßnahmen bis 2030.

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Szenario 1: u.a. Fuß- und Radverkehranteil um 3% bzw. 5.000 Wege pro Tag erhöhen / punktuelle Verbesserung im Radverkehr / leichte Taktanpassungen beim Busnetz / Optimierung des Straßennetzes für den motorisierten Verkehr / moderate Ausweitung des Parkraumangebots

Das wäre mehr oder weniger ein „zahnloser Tiger“ im Hinblick auf mehr Klimaschutz.

Szenario 2: u.a. Ausbau Radnetz, bzw. Schließung von Lücken / Gehwege sicherer und barrierefrei ausbauen / Taktverdichtungen und zusätzliche Linien beim Busnetz / mehr Ladesäulen und CarSharing / höhere „Parkbewirtschaftung“, also Parkgebühren-Erhöhung / weniger Hol- und Bringverkehr, auch für „Elterntaxis“ / gleichzeitig Vorrangnetz für LKW- und Lieferverkehr

Das wären also eher „moderate“ Maßnahmen; auch wenn diese für manche PKW-Fahrerinnen und -Fahrer schon erhebliche Einschränkungen bedeuten würden.

Szenario 3: u.a. Priorisierung des Radverkehrs im gesamten Stadtgebiet / Vorrang für Fußgängerinnen und -gänger / Ausbau des ÖPNV, auch mit Straßen- und Stadtbahn / „Neuordnung bei der Verkehrsberuhigung“ / Parkraumangebote verringern / Restriktionen für LKW- und Lieferverkehr / Kein Hol- und Bringverkehr und keine „Elterntaxis“

Dies wäre bereits ein recht drastisches Klimaschutzprogramm, bei dem sich die motorisierten Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer ganz hinten anstellen müssten.

Was hat die Politik entschieden?

Der StEA hat nun darüber abgestimmt, welches der drei Szenarien als Leitlinie für weitere Entscheidungen gelten soll.

Das knappe Ergebnis: SPD, Grüne, Bürgeraktion und der parteilose Ratsherr Werner Erbe brachten es auf elf Stimmen für Szenario 3 – „nur“ zehn Ratsleute von CDU, FDP, Allianz für Hilden und AfD votierten für Szenario 2.

Die CDU und FDP wollen nicht die Menschen benachteiligen, die „auf das Auto angewiesen“ sind.

Szenario 3 sei einfach „nicht realistisch“, meinte Rudolf Joseph (FDP). Hilden liege in einem „Ballungsgebiet“ mit mehreren Städten, da müsse man auch den „Verkehr berücksichtigen, der von außen“ in die Stadt kommt.

Wie soll man die ganzen PKW „zum Stillstand“ bringen, fragte Kevin Peter Schneider von der CDU. Die Verwaltung rechnet mit einer Senkung des Anteils von 51 auf ca. 40 Prozent, um das Klimaziel zu erreichen.

Außerdem müsse der ÖPNV attraktiver werden, sagten die Befürworter des Szenarios 2.

Zum Beispiel: Mit der Rhein- und/oder S-Bahn (741, 781, 783, O3, S1 oder S28, je nach Ziel und Zeit) braucht man von Hilden zum Jubiläumsplatz in Mettmann ca. 45 bis 55 Minuten.
Und da sind noch nicht die Zeiten eingerechnet, die man zum Startpunkt und von der Schlussstation bis zum Endziel benötigt.
Mit dem PKW dagegen ist man innerhalb von 20 bis 25 Minuten von Hilden aus in Mettmann – vorausgesetzt, man gerät nicht in einen Stau.

Außerdem: ein Einzelticket mit der S1 von Hilden nach Düsseldorf kostet aktuell 6,40 Euro – für eine Fahrt wohlgemerkt. Das sei viel zu teuer – abgesehen von den andauernden Verspätungen und Ausfällen.

Dies könnte sich relativieren, wenn ab Mai das Deutschlandticket (zum Einstiegspreis von 49 Euro; ggf. wird es später wieder teurer) eingeführt wird.

Doch das ist wohl nur für Vielfahrerinnen und -fahrer wirklich interessant, weniger für Gelegenheitspendlerinnen und -pendler.

Man müsste also den ÖPNV enorm ausbauen – und das kann die Stadt Hilden alleine nicht beschließen, so Ratsherr Joseph („Jeden zusätzlich bestellten Kilometer müssen wir extra bezahlen“).

Kevin Buchner (SPD) dagegen erklärte: „Wir wollen eine Veränderung und einen großen Wurf.“ Das Autofahren solle auch nicht „verboten“ werden, aber das „Angebot“, etwa für den ÖPNV, müsse verbessert werden. Dafür sei Szenario 3 ein „Leitfaden für das nächste Jahrzehnt“.

Für Yorck-Peter Wolf (Grüne) ist ebenfalls klar: „Wir müssen die CO2-Emissionen senken. Nur durch Szenario 3 erreichen wir Klimaneutralität“.

Und auch Werner Erbe hätte lieber „radikale“ als „verwässerte“ Maßnahmen.

Ludger Reffgen (Bürgeraktion) stimmte zwar ebenfalls für Szenario 3 (auch wenn es ihm teilweise zu drastisch erscheint), forderte aber „konkretere“ Vorschläge.

Wie geht es jetzt weiter?

Lutz Groll vom Stadtplanungsamt stellte klar, dass nicht unbedingt alle Maßnahmen innerhalb des Szenarios 3 einfach so 1:1 umgesetzt werden.
Jeder einzelne Schritt werde mit dem Stadtrat, bzw. den Fachausschüssen und in Bürgerbeteiligungen diskutiert.
„Wir brauchen erst einmal ein Ziel. Danach erst folgen die Maßnahmen“, so Groll. Und das Ziel wurde nun gesetzt.

Baudezernent Peter Stuhlträger ergänzte: Die Ziele aus dem Szenario 3 seien nicht so „radikal“ wie sie gerade erscheinen. Der Rad- und Fußverkehr sei in Hilden bereits „besser aufgestellt als in anderen Städten“. Der Autoverkehr sei auch nicht das grundlegende Problem. Man könne bzw. sollte aber bei den „kurzen Strecken“ – beispielsweise bei Fahrten zum Bäcker oder unter drei Kilometern – etwas ändern.

Am 20. April tagt nun das nächste Mal der Arbeitskreis „Mobilität“ des Stadtrates und wird erste Maßnahmen für den StEA am 10. Mai vorbereiten.

Im Sommer soll die nächste Stadtteilkonferenz für alle Bürgerinnen und Bürger in der Stadthalle stattfinden.

Der StEA beschäftigt sich dann am 23. August das nächste Mal mit dem Thema.

Bericht: Achim Kaemmerer
Foto/Collage: anzeiger24.de / Pixabay


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