Unternehmertag 2022: Erlebt die Wirtschaft einen Krisenwinter?

Stadtwerke-Chef: Unternehmen müssen ohnehin in eine klimaneutrale Zukunft investieren

Nach über zwei Jahren Corona-Krise treibt viele Unternehmen und Gewerbetreibende nun die nächste Sorge um: Wie kommen wir bei diesen Energiepreis-Explosionen durch den Winter?

Daher war es naheliegend, dass sich der Unternehmertag 2022 am 8. September im Gewerbepark-Süd mit genau dieser Frage beschäftigte. Als fachkundigen Referenten konnten die Wirtschaftsförderung, der Industrieverein und Stadtmarketing den Geschäftsführer der Stadtwerke Hilden, Hans-Ullrich Schneider (kl. Foto links) gewinnen.
Wer sich allerdings konkrete Aussagen erhofft hatte, wurde direkt zu Beginn des Vortrags (Titel: „Wem wird die Energie abgestellt? Kommt ein Krisenwinter auf uns zu?“) gebremst: „Diese Frage kann niemand ernsthaft beantworten“, so Schneider. Aber zumindest konnte er den Ist-Zustand kompakt erläutern – und deutlich machen, wie dramatisch die Lage noch werden kann.

 

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Warum explodieren die Gaspreise?

Der Preisanstieg ist nicht nur auf den Lieferstopp aus Russland zurückzuführen: Bereits in 2021 ist der Energiebedarf für Gas um 4,7% angestiegen, und gleichzeitig waren Angebot und Speicherfüllstände sehr niedrig. Das trieb den Preis nach oben.

Hinzu kamen andere Faktoren; so explodierte Anfang 2022 ein LNG-Terminal in Texas, der 20% des US-Exportes ausmachte. Die Folge: eine weitere Angebots-Verknappung.

Wie geht es also nun weiter?

Nach und nach greift jetzt der „Notfallplan Gas“ der Bundesregierung. Die erste Stufe („Frühwarnstufe“) wurde längst gezündet. Die zweite Stufe – die „Alarmstufe“ – wurde am 23. Juni ausgerufen und gilt bis heute.

 

Und was passiert bei der dritten Stufe, der „Notfallstufe“? Dann wird die Bundesnetzagentur zum „Bundeslastverteiler“. Das bedeutet: Der Staat bestimmt, in welchem Netzgebiet im Falle einer Gasmangellage die Gaslieferung abgestellt oder eingeschränkt wird. Dazu wurden rund 2.300 „große Verbraucher“ (also Großunternehmen) in einer Liste erfasst, die von dieser Regelung betroffen sein können.

 

Und was gilt dann für Hildener Unternehmen?

Dazu Hans-Ullrich Schneider: „In unserem Netzgebiet sind derzeit 20 Abnahmestellen als sogenannte ’nicht geschützte Kunden‘ erfasst, die mehr als 1,5 Millionen kWh pro Jahr verbrauchen [was bedeuten würde, dass ihr Gasverbrauch reguliert werden müsste, Anm.d.Red.]. Nach unserer Information steht keines dieser Unternehmen auch auf der Liste der Bundesnetzagentur.“

Zum Vergleich: BASF in Ludwigshafen verbraucht jährlich soviel Gas wie die Schweiz – ca. 37 Terrawattstunden (TWh). Hilden dagegen „nur“ 0,42 TWh, also gerademal 1,14% von BASF.

 

Das beruhigt die Firmen aber wohl nur bedingt, denn: In 2023 müssen sie mit einer Verdreifachung des Gas- und gekoppelten Strompreises rechnen.

 

Was können Unternehmen also tun?

Hans-Ullrich Schneider empfahl, jetzt verstärkt in erneuerbare Energien zu investieren.
„Deutschland hat es sich zum Ziel gesetzt, bis 2045 klimaneutral zu werden“, so Schneider. Heißt also: „Die Verbrennung klimaschädlicher fossiler Brennstoffe ist dann nicht mehr möglich. Dieser Aufgabe müssen sich die Unternehmen ohnehin stellen.“

 

Sein Appell an die Hildener Wirtschaft: „Starten Sie den Weg in eine klimaneutrale Zukunft.“

Unternehmen sollten ihren Energiebedarf checken und auf erneuerbare Energieträger umsteigen, beispielsweise Geothermie- oder Luftwärmepumpen oder Photovoltaik.

 

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Und was sagen Hildener Unternehmer dazu?

Bei einer anschließenden Podiumsdiskussion berichteten drei Unternehmer von ihren Erfahrungen:

Dien Lenic von der Nilos GmbH (Hersteller von Förderbandtechnik, kl. Foto 2.v.l.) hätte gerne eine Photovoltaik-Anlage auf seinem Firmendach installiert: „Wir haben sehr viel Arbeit in das Projekt gesteckt.“ Am Ende aber scheiterte das Vorhaben, weil sich keine Versicherung fand. Auch hätte er gerne mehr E-Fahrzeuge angeschafft. Aber die Förderprogramme änderten sich ständig, noch bevor das Auto zugelassen wird.

 

Auch der Elektromeister Burkhard Jordan (kl. Foto r.) klagte über „viel zu viele Regulierungen“ bei Photovoltaik-Anlagen. Außerdem gebe es Lieferengpässe, die bis ins Jahr 2024 reichen.

 

Bäckermeister Roland Schüren (Mitglied und 2021 Bundestagskandidat der Grünen, kl. Foto 2.v.r.) erzeugt bekanntlich seinen eigenen Strom für die Backstuben und E-Fahrzeugflotte und konnte daher die Bedenken nicht ganz teilen: „Ich fühle mich auch nicht gegängelt durch die Energiespar-Maßnahmen. Wir haben uns am Licht-aus-Tag beteiligt und damit 27 Euro pro Filiale eingespart.“

Sorge bereite ihm vielmehr, dass die Kundschaft lieber Brötchen beim Discounter kaufe, weil die Preise beim Bäcker angepasst werden müssen. Sein Appell: „Wir müssen einfach durchhalten.“

 

Somit bot der Hildener Unternehmertag 2022 reichlich Gesprächsstoff zu einer spannenden Frage, die vielleicht manchen Gewerbetreibenden neue Denkanstöße gab.

Allerdings haben einige Gäste bedauert, dass abschließend keine Fragestellungen bzw. offene Diskussion mehr möglich war.

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Titelfoto: W.Pohnke/Pixabay / kl. Foto: anzeiger24.de

 


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