Wirrwarr um Baumfällungen an der Itter: Wer entscheidet hier was?

Deich oder Wall? Die Behörden haben Klärungsbedarf

Diese Nachricht hat viele Menschen geradezu „in Wallung“ gebracht: Laut Medienberichten sollen vielleicht, eventuell entlang der Itter (im Westen und im Bereich hinter dem Finanzamt an der Südstraße) Bäume gefällt werden.

Was ist da los?

Das Problem: Laut Bezirksregierung Düsseldorf dürfen auf Deichen keine Bäume stehen, denn sie könnten im Notfall der Schutzvorrichtung schaden, beispielsweise umfallen und große Löcher reißen.

Jetzt stellen sich aber einige Fragen: Handelt es sich bei der Böschung überhaupt um einen Deich? Oder ist es lediglich ein „Wall“? Und wenn es ein Wall ist: Kann dieser überhaupt dem nächsten Hochwasser standhalten? Seit der Flutkatastrophe im Sommer 2021 sind viele Behörden sensibilisiert. 

Wie berechtigt ist also die Befürchtung, dass tatsächlich Bäume für den Hochwasserschutz weichen sollen?

 

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Bezirksregierung: Neue Hochwasserkarten erstellt

Zunächst einmal sollte geklärt werden, wie es überhaupt zu der Diskussion kommen konnte.

Die Bezirksregierung Düsseldorf hat Hochwassergefahrenkarten (HWGK) erstellt. „Sie zeigen die tatsächlichen Verhältnisse im Hochwasserfall und stellen die zu erwartenden Überflutungsflächen wie auch die durch Wälle oder Deiche geschützten Flächen dar“, erklärt uns Pressesprecherin Beatrix van Vlodrop. „Bei der ersten Erarbeitung der Karten im Jahre 2013 verfügte das Fachdezernat der Bezirksregierung Düsseldorf lediglich über Informationen zu amtlich erfassten bzw. planfestgestellten Deichen. Im Zuge der Fortschreibung im Jahre 2019 wurden – basierend auf vorliegenden Höhendaten – einfache Erdwälle mit hochwasserrückhaltender Wirkung zusätzlich ermittelt und dargestellt.“

 

Darunter fällt also auch der Erdwall rund um die Itter.

Erdwälle haben im Unterschied zu regelgerechten Deichen den schwerwiegenden Nachteil, dass ihr Aufbau und damit ihre Hochwassersicherheit in der Regel nicht bekannt sind“, erläutert Beatrix van Vlodrop weiter. „Zudem erfolgt, anders als bei planfestgestellten Deichen, keine regelmäßige Prüfung ihres baulichen Zustandes. Damit ist in der Regel nicht vorhersagbar, ob und wann sie in einer Belastungssituation nachgeben bzw. brechen. Mit einem möglichen Bruch ist aber ein erhebliches Risiko für Menschen, die sich hinter solchen Erdwällen aufhalten, verbunden. Aus diesem Grunde weisen wir in den aktuellen HWGK auf solche Anlagen bzw. die damit verbundenen Risiken hin. Leider erlaubt die für die HWGK bundesweit vorgegebene Symbolik keine Unterscheidung zwischen einem einfachen Erdwall und einem planfestgestellten Deich.“

 

Alte Karten bieten kaum Klarheit. Muss neuer Deich gebaut werden?

Wir fragen weiter beim Bergisch-Rheinischen Wasserverband (RBW) aus Haan: „Wir prüfen den Sachverhalt“, sagt uns Geschäftsbereichsleiterin Kristin Wedmann. „Wir wollen Baumfällungen vermeiden, müssen aber auch den Hochwasserschutz gewährleisten. Wir loten daher alle Möglichkeiten aus, um das notwendige zu tun.“

 

Das Problem: „Die Unterlagen stammen aus den 60er Jahren und sind da nicht eindeutig und vor allem nicht mehr vollständig“, erläutert Kristin Wedmann das Dilemma. Deshalb müsse die Sachlage genau untersucht werden.

 

Und auch die Bezirksregierung will sich nicht festlegen. Pressesprecherin Beatrix van Vlodrop erklärt uns: „Die Erdwälle der Itter entstanden vor ca. 100 Jahren im Zuge der Neutrassierung des Gewässers. Die Entscheidung darüber, ob diese Erdwälle in regelkonforme Deiche überführt werden (dies würde vermutlich deren Neubau erfordern) oder nicht, liegt ausschließlich bei der Stadt Hilden. Zuständige Aufsichtsbehörde für alle Hochwasserschutzbelange ist der Kreis Mettmann.“

 

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Und was also plant die Stadt Hilden jetzt?

Wir nehmen also den Ball auf, der der Stadtverwaltung Hilden zugespielt wurde. Was also planen die Fachleute dort? 

Baudezernent Peter Stuhlträger erklärt uns: „Grundsätzlich kann nach Auffassung der Stadt und des BRW der gesetzlich geforderte Hochwasserschutz für ein hundertjähriges Hochwasser (HQ100) derzeit im Verlauf der Itter sichergestellt werden. Eine Bemessung für ein höheres Hochwasser ist aus ökologischen und finanziellen Überlegungen nicht tragbar.“

 

Allerdings schaut man offenbar nun nach der Flut vom 14. Juli 2021 noch einmal genauer hin: „Die Regenwassermassen waren so groß, dass sie das Kanalnetz teilweise überlasteten und die Itter insbesondere im Bereich des Schlupkotensees / Brockenstraße in Hilden West zu Überflutungen führte [➤ Auch der BUND hat sich mit der Katastrophe befasst, Anm.d.Red.]. Anschließend sind an dem Erdwall (‚Verwallung‘) auf einem Gewässerabschnitt von 300 Metern zwischen Itter, Kilometer 2,9 bis 3,2, Schäden festgestellt worden. Hier besteht die Notwendigkeit, kurzfristig zu handeln, um weiterhin die gefahrlose Ableitung eines HQ100-Ereignisses sicherzustellen. Deshalb werden seitens des BRW kurzfristig Maßnahmen zur vollständigen Wiederherstellung des Erdwalles ergriffen.“

 

OK, und was ist jetzt mit den Bäumen? Müssen sie gefällt werden oder nicht?

Peter Stuhlträger: „Die Untere Naturschutzbehörde hat dem BRW hierfür mit Bescheid vom 12. Februar 2022 die Genehmigung erteilt, bis zum 28. Februar 2022 die dort befindlichen Bäume nördlich der Itter zu fällen. Aufgrund der Kurzfristigkeit hatten sich BRW und Stadtverwaltung im Februar 2022 telefonisch abgestimmt, zunächst provisorische Maßnahmen zur Wiederherstellung des Hochwasserschutzes für HQ100, z.B. das Aufbringen einer Sandsacklage zur Erhöhung der Erdwallkrone vorzunehmen und vor einer Baumfällung die Erkenntnisse aus den weiteren Gesprächen abzuwarten.“

 

Daher laufen derzeit Abstimmungsgespräche zwischen der Stadt, der Oberen und Unteren Wasserbehörde, Unteren Naturschutzbehörde und dem BRW. „Ziel ist es, gemeinsam die notwendigen Sanierungsmaßnahmen entlang der Itter abzustimmen, abzuwägen und mit möglichst großer Rücksicht auf den Baumbestand umzusetzen“, sagt der Beigeordnete.

 

Heißt also: Es gibt immer noch mehr Fragen als sichere Auskünfte.

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Foto: anzeiger24.de / HansLinde/Pixabay

 


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