Notstand bei der Kinderbetreuung – Standort Bürgertreff wird zum Zankapfel

Grüne und Elternbeirat fordert schnellstmöglich neue Plätze – SPD und CDU zögern

Laut Gesetz haben alle Eltern grundsätzlich Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für ihre Kinder. Doch was nützt ein solches Gesetz, wenn nicht genügend Räume und Personal vorhanden sind? Vor diesem Dilemma stehen Hildener Eltern bereits seit langer Zeit.

Was kann man dagegen tun? Die Ratsfraktion der Grünen ist im März im Jugendhilfeausschuss sowie in der Ratssitzung im April vorgeprescht und hat beantragt: Die Verwaltung solle „umgehend alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um den ‚Bürgertreff‘ an der Lortzingstraße so schnell wie möglich in eine zweigruppige Kita umzubauen“.

Damit wurde eine erneute Diskussion über die aktuelle Lage losgetreten.

 

Den Mitgliedern von SPD und CDU ging dies alles viel zu schnell – daher stimmten sie für eine Vertagung in die Fachausschüsse, um weitere offene Fragen zu klären.

Über den Antrag debattiert nun erstmals der Jugendhilfeausschuss am Donnerstag, 11. Mai, ab 17 Uhr im Bürgerhaus.

 

Die Grünen sind derweil pikiert, weil sich das Verfahren auf diese Weise hinzieht.

 

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Anne Gronemeyer (Foto: Grüne Hilden)

 

„Der Mangel an Kitaplätzen in Hilden ist gravierend. Alle Gruppen sind überbelegt, und es gibt lange Wartezeiten für Eltern. Dadurch fühlen sich die Familien mit ihren Betreuungsproblemen allein gelassen“, schreibt Ratsfrau Anne Gronemeyer in einer späteren Presseerklärung. „Die sogenannten Volksparteien scheinen wenig Verständnis für die Probleme des Volkes, hier speziell der jungen Familien, zu haben. Und das, obwohl der zuständige Dezernent Sönke Eichner die Versorgungslage als dramatisch bezeichnete.“

Und nun?

 

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Die aktuelle Situation

Die Fraktionen von ➤ CDU, ➤ SPD und ➤ FDP haben jeweils einen umfangreichen Fragekatalog an die Verwaltung gestellt und bereits ausführliche Antworten erhalten. 

 

Wir haben einige Auszüge aus den Verwaltungsvorlagen zusammengetragen:  

Laut Stadtverwaltung „wird für das Kindergartenjahr 2023/2024 eine Versorgungsquote von 98,00 % (30 fehlende Plätze) für Kinder über drei Jahren erwartet. Nur durch die 77 Überbelegungen kann die Versorgung der über drei-jährigen Kinder annähernd, aber nicht umfassend sichergestellt werden“, heißt es in der Abstimmungsvorlage. „Dramatisch ist die Tatsache, dass die Überbelegungen mittlerweile rd. 33 % der freien Plätze ausmachen. Weitere Zuzüge werden voraussichtlich zu einer Verschärfung der Situation beitragen, insbesondere bei Zuzug von Familien mit zwei Kindern im Alter unter sechs Jahre.“

 

Diese Tabelle veranschaulicht die aktuelle Lage, insbesondere im Hildener Norden („der familienstärkste Stadtteil“ laut Verwaltung), um den es ja in diesem Streit geht: 

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Quelle: Stadt Hilden

  

Seit 2015 wurden folgende Betreuungsplätze geschaffen:

  • 2017 Kita Nordlichter sechs Gruppen (32 Plätze U3 und 73 Plätze Ü3)
    Gesamtkosten rund 3,7 Mio. € (Landesmittel rund 850.000 €)
  • 2018 Wander- und Erlebnisgruppe AWO Kolpingstraße (15 Plätze Ü3)
    Gesamtkosten rund 92.000 € (Landesmittel rund 73.000 €)
  • 2019 Waldgruppe Kita Pusteblume und Kita Nordlichter (je 15 Plätze Ü3)
    Gesamtkosten Pusteblume rund 64.000 € (Landesmittel rund 56.000 €), Nordlichter rund 79.000 € (Landesmittel rund 54.000 €)
  • 2022/2023 Ausbau FZ Mühle um zwei Gruppen. Hierfür jedoch Kita Itterpänz und Holterhöfchen geschlossen. Daher real keine zusätzlichen Betreuungsplätze geschaffen.

 

Zwar werden derzeit neue Plätze eingerichtet (beispielsweise fünf neue Gruppen am Standort Holterhöfchen 18), doch dies würde erst im Kindergartenjahr 2024/2025 zu einer Verbesserung der Betreuungssituation führen, heißt es weiter.

 

Für den Standort Beethovenstraße läuft derzeit eine Machbarkeitsstudie für ein „Haus des Lernens“ mit einer viergruppigen Kita. 

Dieses Projekt könne nach derzeitiger Einschätzung aber frühestens 2026/2027 realisiert werden: „Sollte der Bürgertreff zusätzlich umgebaut werden, kommt es beim ‚Haus des Lernens‘ zu einer Verzögerung von einem halben bis zu einem ganzen Jahr.“

 

Ein Umbau des Bürgertreffs im Norden sei grundsätzlich möglich, um die Kita „Traumquelle“ um zwei Gruppen zu erweitern.

Dafür müssten aber die anderen Angebote und Veranstaltungen im „Bürgertreff“ (Rheumaliga, DRK, Tanzsportgemeinschaft und ein Elterncafé für ukrainische Eltern, Karnevalsvereine, Puppenbühnen sowie private Nutzungen) „alternative Räumlichkeiten gesucht werden“.

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Quelle: Stadt Hilden

 

Die Planungskosten für Architekt, TGA-Planer und Gutachten werden auf ca. 115.000 Euro geschätzt. 

Bei einem reibungslosen Ablauf „könnte eine Fertigstellung bis zu Beginn des Kindergartenjahres 2024/25 erreicht werden“, meint die Verwaltung abschließend.

 

Die Rekrutierung von Erzieherinnen und Erziehern gestaltet sich als schwierig, sagt die Verwaltung. In den vergangenen zwölf Monaten wurden neun Kräfte extern rekrutiert. Zudem bietet die Stadt in jeder Kindertagesstätte mindestens einen Ausbildungsplatz an, in den beiden großen Kindertagesstätten sogar zwei. 

 

Was sagt die Politik?

Auch die „Allianz für Hilden“ wird ungeduldig: „Wie lange soll es noch dauern, bevor wir mit der Lösung dieses dringenden Problems starten“, fragt sich Ratsmitglied Oliver Kohl

 

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Oliver Kohl (Foto: Allianz für Hilden)

 

„Der Antrag der Grünen findet unsere volle Unterstützung, wurde aber leider nicht beschlossen, da eine der Fraktionen noch Beratungsbedarf hat. Da der Umbau-Vorschlag bereits zwei Jahre alt ist, fordert die Allianz für Hilden zumindest eine mittelfristige Lösung für die Änderung der dramatischen Situation zu forcieren. Wenn es schon keine kurzfristige Lösung gibt, darf eine langfristige keine Option sein.“

 

Auf Nachfrage teilt uns CDU-Ratsfrau Claudia Schlottmann mit: „Einen im Rat gestellten Antrag in den Fachausschuss zu verweisen, ist das normale Procedere im Umgang mit Anträgen, die im Rat gestellt werden. Insofern verstehen wir zwar die Aufregung, die im Moment in der Kita-Community herrscht. Aber gerade weil uns das Wohl der Kinder am Herzen liegt, muss es möglich sein, Fragen, die im Vorfeld nicht zu klären waren, zu klären. Gleichzeitig fühlen wir uns auch dazu verpflichtet, nicht nur das optimale für Kinder zu erreichen, sondern wir natürlich auch an die Menschen denken wollen und müssen, die den Bürgertreff für unterschiedliche Veranstaltungen nutzen. Wir denken hier an Vereine und Senioren.“ 

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Claudia Schlottmann (Foto: CDU Hilden)

 

Jugendamtselternbeirat verärgert: „Armutszeugnis der Hildener Politik“

Michael Hirsch-Herda, Vorsitzender des JAEB Hilden, kann über die politische Diskussion nur den Kopf schütteln: „Die minimale Chance einer raschen Verbesserung der Situation wurde nicht ergriffen, was wir sehr bedauern. Es scheint den großen Parteien in Hilden also weiterhin nicht möglich und/oder wichtig zu sein, eine kurzfristige, wenn auch weiterhin nicht ausreichende Abhilfe einer katastrophalen KiTa-Situation zu schaffen.“

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Michael Hirsch-Herda (Jugendamtselternbeirat; Foto: privat)

 

Das Problem der hohen Überbelegungen und nicht ausreichenden Betreuungsangebots sei ja nicht neu: „Es muss doch das Bestreben aller Verantwortlichen sein, jetzt Antworten für die akute Betreuungs- und Überbelegungsproblematik zu finden und gleichzeitig auch das Arbeitsumfeld des pädagogischen Fachpersonals zu verbessern, da sich beides bedingt.“

Eltern hätten nun den Eindruck, dass sich die Mehrheit des Rates „gegen die Belange von Eltern und Kindern stellt und diese zumindest versucht, zu verzögern, anstatt Lösungen anzubieten oder konstruktiv an diesen mitzuwirken.“

 

In einem Offenen Brief nimmt Michael Hirsch-Herda zudem Stellung zum Fragekatalog der CDU.

Einige Auszüge: „Der JAEB (…) bringt regelmäßig die Idee eines Arbeitskreises ‚Personalaqukise und Mitarbeiterzufriedenheit‘ unter Einbezug der Zielgruppe, nämlich Erzieher und Erzieherinnen, und der Politik ins Spiel. Getan hat sich seitdem nicht viel. (…) An dieser Stelle ist nicht nur Ihr kommunalpolitischer Einfluss gefragt, sondern insbesondere auch die Einflussnahme auf Landesebene. Diesen Einfluss können insbesondere Sie, Frau Claudia Schlottmann [CDU-Ratsfrau sowie Landtagsabgeordnete, Anm.d.Red.], geltend machen. (…) Die Quintessenz (…) Ihrer Fragestellung darf aber keinesfalls lauten, dass keine KiTas mehr gebaut werden und die Betreuungssituation derart prekär bleiben darf. Das wäre ein Armutszeugnis für die Hildener Politik und mit dem Familienstandort Hilden nicht zu vereinbaren. (…) Die Sorge, dass es in Hilden eine zu große KiTa-Landschaft geben könnte, empfinden wir, im Hinblick auf die derzeitigen Wohnungsbauprojekte, die Situation der Beschäftigten, die Betreuungssituation, die Flüchtlingskrise sowie die Situation der Familien und die wissenschaftlich empfohlenen Gruppengrößen, tatsächlich als absurd und ärgerlich.

Es stellt sich vielmehr die Frage, ob das Projekt ‚Lotzingstraße‘ überhaupt ambitioniert genug sein kann, um dem Familienstandort Hilden gerecht werden zu können. Hier sehen wir durchaus noch weiteren Bedarf, der perspektivisch früher als später angegangen werden muss.“

 

Den kompletten Offenen Brief gibt es hier zum nachlesen.
 

Bericht: Achim Kaemmerer
Foto: LMoonlight / Pixabay

 


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