Warum wurden Verträge gekündigt? Was wird aus dem Abenteuerspielplatz?
Jahrelang funktionierte die Kooperation zwischen der Freizeitgemeinschaft Behinderte und Nichtbehinderte (FZG) und der Stadtverwaltung Hilden hervorragend. Doch seit vielen Monaten knirscht es im Gebälk.
Warum?
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Seit 1977 betreibt die FZG den Abenteuerspielplatz (ASP) auf dem städtischen Grundstück im Hildener Norden. Nach und nach folgten Angebote für Menschen mit und ohne Handicap, z.B. Kindergärten, das Ensemble „Notenzauber“ und der Treffpunkt hinter dem Alten Helmholtz an der Gerresheimer Straße.
Nun hat die Stadt Pacht- und Mietverträge gekündigt, außerdem sollen die Zuschüsse für andere Mieten erheblich reduziert und der Abenteuerspielplatz in die Trägerschaft der Stadt überführt werden.
Was ist da los?
Vorab sei darauf hingewiesen: Die Ausgangslage ist kompliziert und etwas vertrackt.
Also:
Der Mietvertrag für den Treffpunkt Gerresheimer Straße läuft noch bis 2024.
Die kuriose Konstellation dabei: Die Stadt kassiert eine ordentliche Miete für die Nutzung der FZG, bezuschusst diese aber zugleich mit jährlich 76.000€, zzgl. 18.000€ Nebenkosten und 900€ für einen Stellplatz. Das funktioniert so mit dem Neuen Kommunalen Finanzmanagement (NKF) nicht mehr, das in Produkte eingeteilt und wohl nur für Fachleute verständlich ist.
Auf der anderen Seite hatte die Stadt den Leistungsvertrag für den Betrieb des ASP zum Ende 2021 fristgerecht gekündigt, dabei aber übersehen, dass der Pachtvertrag für das Haus und Gelände weiter bestand. Erst als die CDU die Verwaltung in der Ratssitzung am 14. Dezember darauf hingewiesen hatte, wurde auch der Pachtvertrag zum Ende 2022 gekündigt.
Für Michael Krambrock, ehemaliger Jugendamtsmitarbeiter, seit über 40 Jahren Mitglied der FZG und Vorsitzender seit Ende August 2021, ist das ganze Vorgehen völlig unverständlich: „Wenn das alles kommt, haben wir keine Absicherung mehr. Wir können dann unsere rund 170 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mehr bezahlen und etliche freiwillige Aufgaben, wie z.B. die Freizeit- und Beratungsangebote für Menschen mit Behinderungen, nicht mehr anbieten.“
Wäre das gar das Ende der FZG?
Krambrock: „Das ist ein harter Schlag für Menschen unserer Zielgruppe. Die Forderung nach Einsparungen wird so auf dem Rücken von Menschen umgesetzt, die, so wie es aussieht, kaum eine Lobby für ihre Anliegen haben.“
Wieso hat die Stadt überhaupt Verträge gekündigt und Zuschüsse gekürzt?
Dazu erklärt das Rathaus auf Nachfrage:
„Alle Kontrakte mit den freien Trägern der Jugendhilfe haben nur eine bestimmte Laufzeit, die sich auch an der gesetzlich festgelegten Gültigkeit des Kinder- und Jugendförderplanes orientiert. Die Kontrakte müssen also immer wieder neu vereinbart werden. Die Verhandlungen mit der FZG sind diesbezüglich noch nicht abgeschlossen. Um handlungsfähig zu sein, hat die Stadt alle Verträge gekündigt, die hier anhängig sind.
Ein aus der Politik resultierender Auftrag fordert die Überprüfung der Leistungen und der damit verbundenen Bezuschussung von (freiwilligen) Leistungen. Sofern eine kostengünstigere Erbringung einer Leistung gegeben ist, ist zu prüfen, ob ein freier Träger diese Leistung erbringen kann oder die Stadt die Leistung selbst erbringt, sofern es sich um eine Pflichtaufgabe der Kommune handelt. Die Stadt handelt hier nach dem Haushaltsgrundsatz der Wirtschaftlichkeit. Aus der Politik wird entschieden, ob und wenn ja, welche Leistung zu welchen Kosten erbracht werden soll.“
Und: Die Aufgaben, die die FZG bisher erfüllte, solle „zukünftig derjenige [übernehmen], der das vorgegebene Leistungsprofil am kostengünstigsten anbietet. Dafür wird die Stadt Geld zur Verfügung stellen.“
Heißt das, dass die FZG aus Sicht der Stadt „nicht wirtschaftlich“ arbeitet?
Michael Krambrock kann das nicht nachvollziehen: „Wir wehren uns nicht gegen Einsparungen und wirtschaftliches Denken. Im jetzigen geschäftsführenden Vorstand ist eine hohe wirtschaftliche Kompetenz vorhanden. Das müsste die Stadt auch erkannt haben.“
Die FZG erfülle eine Pflichtaufgabe, nämlich Inklusion, „die selbstverständliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen im alltäglichen Leben“, zum Beispiel in ihren Kitas, so Krambrock. Im Gegensatz zur Stadt könne die FZG durch ihre ehrenamtliche Struktur „fast immer kostengünstiger arbeiten als die Verwaltung.“
Allerdings: Da der so genannte „Overhead“ der FZG (Mitarbeitende, Mieten und Sachkosten) kaum reduziert werden könne, werden die dann noch verbleibenden Angebote immer teurer. Krambrock: „Mit dieser Strategie lässt sich gut begründen, dass die FZG angeblich ‚unwirtschaftlich‘ arbeitet.“
In den Produkten der FZG werden z.B. „die völlig überhöhten Mieten zum Kostentreiber„, meint Krambrock: „Der FZG war seinerzeit zugesichert worden, dass diese Mieten kein Problem seien, da sie nach dem Prinzip ‚rechte Tasche, linke Tasche‘ kostendeckend bezuschusst würden. Dies gilt nun nicht mehr.“
Warum will die Stadt den Abenteuerplatz übernehmen?
Die Stadt wolle sich nun „die Rosinen aus dem Kuchen heraus picken“, etwa den Abenteuerspielplatz, meint Krambrock.
Warum also will die Stadt den Abenteuerspielplatz übernehmen, wenn es doch ein freier Träger wie die FZG mit jahrzehntelanger Erfahrung weiterhin machen könnte? Und was wird aus den hauptamtlichen Mitarbeiter(innen)?
Auch hier argumentiert die Stadt mit der Wirtschaftlichkeit: „Die FZG hat der Stadt während der Verhandlungen für die neuen Kontrakte mehrere Kalkulationen vorgelegt, die einen deutlich höheren Betriebskostenzuschuss notwendig machen würden als bisher. Das kann die Stadt – unter Berücksichtigung der Finanzlage – so nicht finanzieren. Eine Übernahme des ASP in städtische Trägerschaft ist, nach Berechnungen des Fachamtes, hier günstiger und effektiver. Das vorhandene hauptamtliche Personal des ASP würde in den städtischen Stellenplan überführt und weiterhin qualifizierte Arbeit vor Ort durchführen können.“
Dem entgegnet Michael Krambrock: „Die Stadt beruft sich immer noch auf Kalkulationen bis Anfang 2021, die zum jetzigen Zeitpunkt vom neuen Vorstand überarbeitet wurden und der Stadt vorliegen. Im November 2021 haben wir eine Gegenüberstellung der Kostenkalkulation der Stadt – ergänzt um Ausgaben, die die Stadt bei ihrer Kalkulation ‚übersehen‘ hatte – und der FZG vorgelegt. Diese Kalkulation wurde bisher ignoriert, weil sie anscheinend nicht ins Konzept der Stadt passt. Die FZG bietet bei dieser Kalkulation den Betrieb erheblich kostengünstiger als die Stadt an!“
Eine verfahrene Situation also. Wie geht es jetzt weiter?
Der Stadtrat hat im Dezember mehrere Maßnahmen beschlossen, die CDU und Bündnis 90/Die Grünen beantragt hatten:
„Der Rat der Stadt Hilden beauftragt die Verwaltung und die FZG, bis 31. Mai einen neuen Vertrag zu erarbeiten. Bis dahin wird in Verhandlungen zwischen FZG und Verwaltung für jedes Produkt ein Aufgaben- und Anforderungsprofil erstellt. Dazu werden von der FZG entsprechende verbindliche Kostenkalkulationen auch für den mehrjährigen Finanzplan erarbeitet. Eine ausreichende Finanzierung der FZG ist bis zum 31. Mai sicherzustellen.“
Außerdem heißt es: Um die finanzielle Handlungsfähigkeit des Trägers sicherzustellen, wird ein freiwilliger Betriebskostenzuschuss für das Jahr 2022 in Höhe von 586.177€ bereitgestellt.
Bei Weiterführung des Abenteuerspielplatzes durch die FZG ist ein zusätzlicher Ansatz in Höhe von 20.000€ für das erste Halbjahr 2022, bei Fortbestehen über den 30. Juni 2022 hinaus ein Betrag von 40.000€ in den Haushalt einzubringen.“
Was bedeutet das nun?
Nun, die FZG hat einen kleinen Aufschub erhalten und muss mit der Stadt über die Fortführung, bzw. Neuausrichtung der Verträge verhandeln.
Mit welcher Zielsetzung werden die Stadt und ZFG nun in die Einigungsgespräche gehen?
Die Stadt erklärt uns: „Die Absicht der Verwaltung ist es, hier klar definierte und mit dem Träger abgestimmte Profile zu erarbeiten, welche Grundlage für die Kostenkalkulation der einzelnen Leistungen bieten. Als Ziel sollten am Ende des Prozesses die von der Politik beschlossenen Profile sowie die damit verbundenen Kosten als Basis für eine weitere Vertrags- und Finanzierungsgestaltung stehen.“
Michael Krambrock kommentiert: „Von Verhandlungen auf Augenhöhe, wie der Beschluss es vorsieht, ist allerdings meines Erachtens bei der Verwaltung nichts zu spüren. Die Verwaltung will uns die, aus ihrer Sicht möglichen, Angebote (Produkte) und Anforderungen mitteilen, und die FZG hat das entsprechend auszuarbeiten und einen Kostenplan vorzulegen. Eine Gestaltung und Einbringung von eigenen Angeboten durch die FZG ist so nicht vorgesehen. Die FZG wird somit zum Dienstleister und Erfüllungsgehilfen für die Stadt für Aufgaben, die sie selbst nicht erbringen möchte. Dies entspricht, meiner Auffassung nach, nicht der Förderung des ehrenamtlichen Engagements eines freien Trägers und eingetragenen Vereins in Hilden.“
Die Fronten sind also verhärtet.
Es bleibt nicht mehr viel Zeit, eine Einigung zu finden – zu Gunsten der betroffenen Kinder und Jugendlichen und anderen Nutzern der FZG-Angebote.
Bericht: Achim Kaemmerer
Foto: anzeiger24.de / OpenClipartVectors/Pixabay
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