Gaspreise: Was müssen die Stadtwerke offenlegen? Was müssen Kunden ‚billigen‘?

Hildener will sich mit einfacher Erklärung nicht zufrieden geben – zu recht?

Stadtwerke-Kundinnen und -Kunden sind es ja mittlerweile gewohnt: Ihr Versorger informiert sie über die nächsten Energiepreis-Steigerungen – schließlich stecken wir ja mitten in einer Krise, und der Einkauf hat sich stetig verteuert, insbesondere seitdem wir kein Gas mehr aus Russland beziehen.

Ein Stadtwerke-Kunde aus Hilden aber will sich damit nicht so einfach zufrieden geben und es genauer wissen: „Ich habe um eine nähere Erläuterung zu den maßgeblichen Gründen für die Preiserhöhung gebeten“, berichtet er unserer Redaktion. „In den Antwortschreiben teilten die Stadtwerke Hilden mit, die Preisanpassung entspräche der Billigkeit gemäß §315 BGB; sie seien ‚nur gegenüber dem Bundeskartellamt zum Nachweis der sachlichen Rechtfertigung verpflichtet‘.“

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Was bedeutet „Billigkeit“?

Die Anwaltsplattform JuraForum erklärt: „Der Anbieter bestimmt den Preis und kann sich einseitig das Recht der jederzeitigen Preisänderung vorbehalten. (…) Billiges Ermessen bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Vertragspartner bei der Preisfestlegung zwar einen Ermessensspielraum hat, diesen aber lediglich im Rahmen eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung ausüben darf.“

Soll also heißen: Die Stadtwerke können im Zweifelsfall „nach billigem Ermessen“ die Preise erhöhen – also beispielsweise wegen der gestiegenen Beschaffungspreise. Doch die Umstände müssen angemessen sein.

Und das sieht der Stadtwerke-Kunde in diesem Fall nicht gegeben.

Was ihn außerdem wurmt: Der Großhandels-Gaspreis ist laut Bundesnetzagentur inzwischen wieder stark gesunken. Der Spitzenwert lag Ende August 2022 bei ca. 335 Euro je MWh (Megawattstunde).

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Seit Anfang Januar 2023 schwankt der Preis zwischen 60 bis 70 Euro je MWh; also auf dem ungefähren Niveau im Vergleich zum Vorjahr und vor Beginn des Ukraine-Krieges.

Ist die Kritik nun berechtigt?

Der Stadtwerke-Kunde beruft sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. November 2008.

Dort heißt es wörtlich: „Soweit sich der Gasversorger für die Billigkeit auf eine Bezugskostensteigerung beruft, muss er für einen hinreichend substantiierten [auch „detaillierten“, Anm.d.Red.] Vortrag und ein geeignetes Beweisangebot nicht notwendig die absolute Höhe seiner Bezugspreise angeben und die Bezugsverträge mit seinen Lieferanten vorlegen.“

Typisches Juristen-Deutsch – was bedeutet das nun genau? Vor allem: Was heißt „nicht notwendig“ in diesem Zusammenhang?

Wir fragen bei den Stadtwerken Hilden nach. Dort liest man das Urteil folgendermaßen: „Der Lieferant [also die Stadtwerke, Anm.d.Red.] muss [demnach] die absolute Höhe seiner Bezugspreise nicht vortragen und folglich auch nicht durch Vorlage seiner Verträge beweisen. Das Wort ‚notwendig‘ hat keine entscheidende Bedeutung. Man kann es streichen, ohne dass sich die Bedeutung ändert, so wie man umgangssprachlich sagt ‚nicht unbedingt‘. Es heißt also: ‚der Versorger muss es nicht‚.“

Das sieht der Stadtwerke-Kunde allerdings anders. Die Stadtwerke müssten zwar nicht ihre Kalkulation und die unterliegenden Verträge mit Lieferanten offenlegen, aber: „Ohne nähere Angaben einfach nur mitzuteilen, die Beschaffungskosten seien stark gestiegen – das ist kein substantiierter Vortrag, sondern nicht mehr als eine bloße Behauptung, die die Preiserhöhung letztlich der gesetzlich normierten Billigkeitskontrolle entzieht.“

Er verlangt „zumindest schlüssige Angaben zu der Bezugskostensteigerung.

Was nun?

Viele Verbraucherinnen und Verbraucher sind in der jetzigen Lage verunsichert – wie kann man die Begründung für die gestiegenen Tarife wirklich nachvollziehen?

Die Stadtwerke Hilden schreiben uns dazu: „Kunden interessieren sich für die Hintergründe der Preisentwicklungen an den Energiemärkten. Das ist sehr gut, denn das Thema Energiebeschaffung ist sehr komplex. Einige Kunden beschweren sich auch über die Höhe der Energiepreise, das kommt natürlich vor. Wir erläutern die juristische Lage und unsere Beschaffungsstrategie. Das hilft in der Regel, Bedenken auszuräumen.“

Und was ist mit den gesunkenen Großhandelspreisen?

Dazu erklären die Stadtwerke Hilden: „Als Stadtwerk wenden wir eine langfristige Einkaufsstrategie an. Das heißt: Energie wird in vielen Tranchen nach und nach bis zu drei Jahre im Voraus eingekauft. So vermeiden wir das Risiko des ‚falschen Zeitpunkts‘ und verteilen Risiko und Chancen über eine längere Zeit.
Der Kunde verweist darauf, dass er vom leicht gesunkenen Großhandelspreis nicht unmittelbar profitiert. Allerdings haben sich die großen Preissprünge und enorm hohen Preisspitzen auf den Energiepreis auch nicht unmittelbar ausgewirkt, sondern wurden durch die risikoaverse Beschaffungsstrategie deutlich abgemildert und verzögert.“

Außerdem, so sagen es die Stadtwerke Hilden, mache „der Beschaffungspreis nur rund die Hälfte des Gaspreises aus. Der Rest sind Netz-Entgelte, gesetzliche Abgaben, Umlagen und Steuern, auf die die Stadtwerke als Energieversorger gar keinen Einfluss haben.“

Ähnlich hatte vor wenigen Tagen auch der Verband kommunaler Unternehmen e.V. (VKU) in Berlin auf unsere Anfrage geantwortet.

Und: Unabhängig vom Krieg steigen die Energiekosten bereits seit Herbst 2021, sagen uns die Stadtwerke: „Wenn sich der Energiepreis modellhaft immer aus dem Mittelwert der letzten drei Jahre zusammensetzt, dann wissen wir, dass 2023 zwar schon das teure Jahr 2022 beinhaltet, aber auch noch das günstige Jahr 2020. Damit ist ersichtlich, dass auch 2024 noch keine große Entspannung bei den Energiepreisen zu erwarten ist.“

Zumindest eines sei aber sicher: Für das Jahr 2023 sind, nach aktuellem Ermessen, bei den Stadtwerken Hilden keine Preiserhöhungen zu erwarten.“

Bericht: Achim Kaemmerer
Foto: Tumisu/shahid awan / Pixabay 


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