Mahnmal: Leo Meyers Schicksal steht für das Unrecht und die Gräueltaten der Nazis

Hildener Jude setzte sich für die Schwachen ein, wurde aber später verfolgt

Ein neues Mahnmal „gegen das Vergessen“ erinnert uns fortan an die Gräueltaten der NS-Zeit: Stadt und Evangelische Kirchengemeine haben am Dienstag, 15. August 2023, eine Gedenkstele für Leo Meyer an der Reformationskirche am Alten Markt eingeweiht.

 

Auf Initiative der Hildenerin Therese Neuhaus hin ist dieses Projekt erst möglich geworden: In Erinnerung an die Familie Meyer, die während der NS-Zeit ermordet wurden sind, wurden Stolpersteine vor dem Haus Gerresheimer Straße 189/191 im Gedenken an Nathan Meyer, Minna Meyer, Hannelore Cohn und Klara Wege, geborene Meyer, verlegt. Ein Stolperstein für Leo Meyer fehlte jedoch, da er erst Jahre nach dem Krieg gestorben war.

 

Aber seine schicksalhafte Lebensgeschichte hat Therese Neuhaus so sehr fasziniert, dass sie beim Stadtrat einen Bürgerantrag zur Errichtung einer Stele einbrachte.

Nach der Zustimmung vor vier Jahren wurden ein geeigneter Standort gesucht und ein Gestaltungswettbewerb für die Stele ausgeschrieben, den der Hildener Bildhauer Christian Lüttgen gewann.

 

Nun also erinnert die Skulptur an der Reformationskirche an den Menschen Leo Meyer, „der für alle Schicksale steht, denen keine Gerechtigkeit zuteilwurde und die zugleich auch ein Sinnbild für Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft sein soll“, erklärte Bürgermeister Claus Pommer bei der Einweihung.

 

Wer war Leo Meyer?

Die Stadt Hilden beschreibt seine Lebensgeschichte:

Leo Meyer (1891–1953) war ein Hildener jüdischer Bürger, dessen Lebensgeschichte bis 2015 weitestgehend im Verborgenen blieb.
Leo Meyer absolvierte eine kaufmännische Ausbildung und wurde unmittelbar nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges mit seinem jüngeren Bruder Josef eingezogen.
Josef fiel am 19. Mai 1916 im Alter von 22 Jahren an der Seite von Leo Meyer in einer der vielen Schlachten in Flandern. Ende 1917 wurde Leo Meyer – nach mehr als drei Jahren an der Front – im besetzten Belgien Ortskommandant der Feldgendarmerie in Oostmalle.

 

Deutsche Besatzung in Belgien: Leo Meyer spendete für hungernde Menschen

Die Bevölkerung in dem belgischen Dorf litt unter der deutschen Besatzung: Kontributionen, Einquartierungen und Missernten, hinzu kamen zahlreiche Geflüchtete aus der eingeschlossenen nordfranzösischen Stadt Lille.
Um den hungernden Menschen zu helfen, bat Leo Meyer seinen Vater ihm Geld zu schicken. Was kam, war die beträchtliche Summe von 5.000 Goldmark, was heute über 30.000 Euro entspricht. Das Geld übergab er der französischen Oberin des Klosters Maria Stella, für die Leo Meyer zu jemanden wurde, der Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft bewiesen hatte.

 

Opfer der Pogromnacht: Der Ermordung nur knapp entkommen

Nach Kriegsende machte sich Leo Meyer in Hilden als Viehhändler selbständig und baute daneben einen Handel für Getreide- und Futtermittel auf. 1930 verlegte er sein Geschäft nach Düsseldorf. 1935 hatte er Minna, verw. Seckel, geb. Cohn, geheiratet. Seine Frau brachte die Adoptivtochter Hannelore mit in die Ehe. Mit dem Beginn der Nazi-Zeit erlebte Leo Meyer als Folge der Boykottierung durch die neuen Machthaber einen kontinuierlichen Rückgang seines Geschäftes und musste Anfang 1938 schließen. Aus finanziellen Gründen zog die Familie zurück nach Hilden.

 

Während der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 entging Leo Meyer nur knapp der Ermordung, sein Vater Nathan Meyer wurde auf brutalste Weise erschlagen. Er ist eines von acht Todesopfern. Gemessen an der Einwohnerzahl waren es in Hilden so viele Opfer wie in keiner anderen Stadt in Deutschland. Leo Meyers 1949 veröffentlichter „Pogrombericht“ ist eine, weit über Hilden hinaus beachtete Schilderung dieser menschenverachtenden Gräueltaten geworden.

 

Flüchtling im Zweiten Weltkrieg – verhaftet und deportiert

1939 konnte Leo Meyer nach mehreren Versuchen nach Oostmalle fliehen. Die Nonnen erkannten den einstigen deutschen Ortskommandanten und nahmen ihn als Flüchtling auf.

Am 10. Mai 1940 begann der „Westfeldzug“, die Deutschen marschierten in Belgien und in den Niederlanden ein. Zum selben Zeitpunkt fanden in Belgien Massenverhaftungen von Ausländern und anderen „Verdächtigen“ statt. Darunter war auch Leo Meyer.

 

Er wurde in das südfranzösische Internierungslager Gurs deponiert. Die Oberin Béatrix des Klosters in Oostmalle bewirkte eine befristete Beurlaubung Leo Meyers und die Unterbringung bei ihrem Bruder Joseph Briquet. Leo Meyer blieb dort auch nach Ablauf seines „Genesungsurlaubs“ mit stillschweigender Duldung des Bürgermeisters. Er überlebte, seine Schwester, deren Mann und ihre Tochter sowie Leo Meyers Frau und Tochter starben jedoch in Vernichtungslagern.

 

Rückkehr nach dem Krieg – aber keine Wiedergutmachung

Nach dem Zweiten Weltkrieg ging Leo Meyer 1946 eine zweite Ehe mit Janka Slomovic ein, und noch im selben Jahr wurde ihre Tochter, Marie Régine (verh. Cohn) geboren.

Erst im April 1949 gelang es Leo Meyer, mit seiner kleinen Familie nach Hilden zurückzukehren. Seine Rückkehr, wie es die Autorin Barbara Suchy beschreibt, war keine Heimkehr. Die Hoffnung auf „Gerechtigkeit“, auf Unterstützung und zügige Wiedergutmachung erfüllte sich nicht in der von ihm erhofften Weise. Leo Meyer starb desillusioniert am 22. Juli 1953 in Düsseldorf.

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Quelle: Stadt Hilden
Foto: anzeiger24.de