Streik in Kitas und Ganztagsschulen – auch in Hilden?

ver.di fordert bessere Bedingungen – Arbeitgeber und Elternbeirat kritisieren den Arbeitskampf

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat für Mittwoch, 4. Mai 2022, die Beschäftigten kommunaler Kitas sowie in schulischen Ganztag zum Warnstreik aufgerufen.

Auch in Hilden?

 

Wir haben bei der Stadt nachgefragt.

Jugenddezernent Sönke Eichner erklärt: „Aktuell sieht es so aus, dass es auch in Hilden Einschränkungen im Regelbetrieb der städtischen Einrichtungen geben kann.“ Ob und wie viele Beschäftigte sich am Arbeitskampf beteiligen, werde erst kurzfristig feststehen: „Familien sollten sich darauf einstellen, dass ihre Einrichtung von ihrem Streikrecht Gebrauch machen kann. In diesem Fall werden wir uns bemühen, für diejenigen, die zwingend auf die Betreuung angewiesen sind, eine Lösung zu finden.“

Am Streiktag selbst werden die Einrichtungen die Familien über die gewohnten Kanäle (App beziehungsweise E-Mail) direkt informieren.

 

Worum geht es?

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ver.di: „Situation seit Jahren angespannt“

ver.di fordert in den Tarifverhandlungen eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel, die finanzielle Anerkennung der Arbeit, einen Anspruch auf Weiterqualifizierung mehr Vor- und Nachbereitungszeiten, damit die Fachkräfte mehr Zeit für die pädagogische Arbeit mit den Kindern haben, sowie Zeiten, um Praktikantinnen und Praktikanten zu begleiten.

 

„Die Beschäftigten sind über die Haltung der Arbeitgeber massiv enttäuscht, weil sie in den Verhandlungen bisher kein Entgegenkommen gezeigt haben“, erklärt die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Christine Behle. Die Situation in den Tageseinrichtungen für Kinder sei seit Jahren angespannt. „Der Platzausbau und die Ausweitung der Öffnungszeiten bei dem gleichzeitigen Versäumnis, die Bedingungen in den Einrichtungen und in der Ausbildung zu verbessern, haben bewirkt, dass die Beschäftigten am Limit angekommen sind.“

 

„Auch die beiden Jahre der Pandemie haben tiefe Spuren hinterlassen. Derzeit fehlt laut Deutschem Jugendinstitut und Robert Koch Institut aufgrund von Krankheit 20 Prozent des Personals“, erklärt ver.di: „Nach Angaben der Krankenkassen sind die Beschäftigten dieses Arbeitsfeldes, die Beschäftigtengruppe, die am häufigsten an Burnout erkrankt. Auch der im letzten Jahr von ver.di durchgeführte Kita-Personalcheck hat gezeigt, dass die Fachkräfte das Gefühl haben, ihren pädagogischen Aufgaben und den Kindern nicht gerecht werden zu können.“

Aus der Perspektive der Beschäftigten fehlen 173.000 Fachkräfte. Das führe dazu, dass 25 Prozent der Berufsanfänger in den ersten fünf Jahren das Arbeitsfeld verlassen.

 

Arbeitgebervebrände: „Streik ist jetzt unverhältnismäßig, Vertrauen in Daseinsvorsorge belastet“ 

Karin Welge, Präsidentin und Verhandlungsführerin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) entgegnet: „Der erneute Aufruf zu Arbeitskampfmaßnahmen ist in Anbetracht der zugesagten gegenseitigen Zuarbeit und Lösungsfindung der Tarifpartner unverhältnismäßig und passt nicht zum tatsächlichen Verhandlungsstand. In den ersten beiden Verhandlungsrunden haben wir die Gewerkschaftsforderungen in vielen Teilen erörtert, um dann zu einigen Themen ganz konkrete Vorschläge vorzulegen. Beide Seiten erarbeiten jetzt zu weiteren Themen Vorschläge, die wir in der dritten Verhandlungsrunde besprechen werden. Das haben wir gemeinsam so vereinbart. Arbeitskampfmaßnahmen müssen immer das letzte Mittel bleiben. Nach Jahren der Pandemie und enormen Herausforderungen für Elternteile und Familien ist das Vertrauen in die Daseinsvorsorge ein hohes Gut, das nicht durch unverhältnismäßige Streiks belastet werden sollte.“

 

Die Verdienste, insbesondere der Erzieherinnen und Erzieher, seien deutlich höher als die der Beschäftigten anderer Bereiche des kommunalen öffentlichen Dienstes. Die Einstiegsgehälter nach der Ausbildung liegen regelmäßig bei 3.142 Euro monatlich. Sie steigen nach entsprechender Beschäftigungszeit und bei schwieriger Tätigkeit auf 4.446 Euro monatlich. „Im Vergleich mit anderen Trägern im Sozial- und Erziehungsdienst haben die Erzieherinnen und Erzieher in den kommunalen Kitas ein um bis zu zehn Prozent höheres Gehalt„, so der VKA. 

 

Die dritte Tarifrunde ist für den 16. und 17. Mai 2022 in Potsdam terminiert. „Unser Ziel ist es, am 17. Mai eine Tarifeinigung zu erreichen“, sagt Karin Welge.

  

Elternvertretung: „Untragbarer Zustand für die Familien – Streik trifft die Falschen“

Auch der Landeselternbeirat der Kindertageseinrichtungen NRW e.V. (LEB) ist nicht wirklich begeistert von der Streikaktion: „Jede Woche sehen sich Familien in NRW derzeit mit Warnstreik-Aktionen der Beschäftigten in kommunalen Kitas konfrontiert“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Wieder einmal sind es die Eltern, die spontan nach einer Betreuungsmöglichkeit suchen oder dem eigenen Arbeitgeber absagen müssen. Nach zwei Jahren mit Kita-Schließungen, Quarantänemaßnahmen und Betreuungskürzungen ein untragbarer Zustand für Kinder und Eltern.“

 

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Zwar unterstützt der LEB viele der Forderungen. „Dennoch ist jeder Tag Betreuungsausfall einer zu viel. Gerade jetzt ist die verlässliche frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung wichtig. Insbesondere für die Kita-Kinder, die in den vergangenen Jahren oftmals tage- und wochenlang zu Hause bleiben mussten, weil Einrichtungen geschlossen waren oder der Personalmangel zu Kürzungen führte. Aber auch für die Eltern, die immer wieder improvisieren mussten oder ihre Arbeitsstellen riskiert haben, weil Betreuungsverträge bis heute nicht verlässlich erfüllt werden.“

 

Daniela Heimann, Vorstandsmitglied im LEB, erklärt: „Weitere Streiks, ohne ein Einlenken der Tarifpartner kann der LEB im Interesse der Kinder und Eltern in NRW nicht mittragen.“

Die Streiks würden „eindeutig die Falschen treffen, nämlich die Familien und eben nicht die Arbeitgeber.“

Außerdem kritisiert die Elternvertretung: „Da weiterhin kommunale Mittel und Gelder vom Land an die Träger fließen, die Eltern weiterhin Beiträge zahlen und niemand für ihren Betreuungsausfall aufkommt, liegt hier ein enormes Missverhältnis vor.“

 

Quelle: Pressemitteilungen ver.di, VKA und LEB NRW, 2. Mai 2022 / Stadt Hilden

Foto: hpgruesen/OPenClipartVectors / Pixabay

 


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