Wozu braucht die Stadt eine Unternehmensberatung?

Gutachter analysiert, wie hoch die Personalnot im Rathaus ist

Wie kann die Personalnot im Rathaus endlich beseitigt werden, die zu Frust bei den Bürgerinnen und Bürgern und den Mitarbeitenden selber führt? 

Da die Stadtverwaltung selber kann ihre Organisation offenbar nicht mehr ohne fremde Hilfe ordnen und hat die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) engagiert.

Ihre Aufgabe: Die Personalstruktur überprüfen und Optimierungsvorschläge machen

 

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Die Agentur hat in den verschiedenen Dezernaten und Abteilungen sehr empirisch den Personalbedarf (Ist-, Soll-VZÄ; Vollzeitäquivalent) ermittelt (hier zum Download; ab S. 16).

Dabei sieht man zum Beispiel, dass es im Bereich Soziale Dienste einen Minderbedarf von 4,58 VZÄ (S. 72) und im Team Organisationsangelegenheiten einen Mehrbedarf von 2,51 VZÄ (S. 41) gibt. Auf den Seiten 90 bis 104 folgt eine Reihe von Handlungsempfehlungen. Das muss man erst einmal alles erfassen und begreifen.

Wir haben uns gefragt: Kann dies wirklich helfen? Wieder ein Gutachten? Wird dies tatsächlich zu einem guten Ergebnis für alle Beteiligten führen? Oder machen sich die Ratshaus-Mitarbeitenden am Ende nicht doch mehr Arbeit…?

Wir haben bei der Stadt Hilden nachgefragt…

 

Rathaus: Warum eine externe Beratung notwendig ist

Frage: Wozu war die Ist-Analyse notwendig? Sind nicht die Verwaltungsvorgänge und -strukturen gesetzlich geregelt, also auch die Personalschlüssel?

Antwort Stadtverwaltung Hilden: Für die weitere Entwicklung der Verwaltung der Stadt Hilden wird unter Berücksichtigung des Fachkräftemangels, der demografischen Entwicklung und zur Begrenzung der Personalkosten eine gezielte und zukunftsorientierte Organisationsentwicklung immer wichtiger.

 

Grundsätzlich ist zwischen pflichtigen und freiwilligen Aufgaben zu unterscheiden. Die pflichtigen sind generell zwar bei den Kommunen identisch, jedoch ist die Ausführung in Qualität und Quantität häufig nicht festgeschrieben bzw. vorgegeben.

Es gibt lediglich in einigen wenigen Bereichen gesetzlich vorgeschriebene Personalschlüssel wie z.B. im Bereich Kita. In anderen gibt es bundes- oder landesweite Empfehlungen von übergeordneten Körperschaften. Diese Bereiche waren daher auch nicht Bestandteil der Untersuchung.
Für den überwiegenden Anteil der Fachaufgaben existieren aber keine Vorgaben.

 

Wieso muss die Stadtverwaltung den Bedarf von einem externen Gutachten ermitteln lassen?

Die Stadt Hilden hat zwar 2017 und 2018 in allen Ämtern eine Aufgabenkritik sowie Maßnahmen zur Optimierung der Aufbau- und Ablauforganisation und zur Personalkostenkonsolidierung durchgeführt, die aber nicht in allen Bereichen nachhaltig erfolgreich waren.

Die Notwendigkeit weiterer Prozessoptimierungen wurde sowohl von der Verwaltung wie auch von der Politik gesehen, eine Umsetzung war aber aufgrund der begrenzten Personalkapazitäten im Sachgebiet Organisation nicht mit eigenem/vorhandenem Personal leistbar.

 

Im Rahmen der Haushaltsplanberatungen 2020 wurde der Verwaltung daher auf Vorschlag der Fraktionen der CDU und der FDP ein entsprechendes Budget [in Höhe von 110.000€; Anm.d.Red.] zur Verfügung gestellt.

 

Die Erfahrungen externer Gutachter bei der Durchführung von Organisationsuntersuchungen und Benchmarking ermöglichen einen interkommunalen Vergleich. Dabei kann sich die Stadt über Kennzahlen mit mehreren anderen Kommunen vergleichen und so ermitteln, in welchen Aufgabenbereichen eine Abweichung vom Durchschnitt gegeben ist.

Solche Ermittlungen selbst durchzuführen ist sehr aufwändig. Hier kann auf ein breites Portfolio der Beratungsunternehmen zurückgegriffen werden.
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Gibt es dazu keine Vorgaben vom Gesetzgeber oder Unterstützung einer höheren (Aufsichts-)Behörde (Bezirksregierung, Land o.ä.)?

Zu enge Vorgaben einer höheren Behörde würden in das in Art. 28 GG festgeschriebene Selbstverwaltungsrecht der Kommunen eingreifen.

Hinsichtlich der Unterstützung durch eine höhere Behörde kann eine solch umfassende Unterstützung hier nicht zum Tragen kommen.

 

Die Liste mit den Handlungsempfehlungen ist sehr sehr lang.

Hat die Stadt überhaupt die Kapazitäten, um diese Liste abzuarbeiten? Wie soll dies bewerkstelligt werden mit dem derzeit vorhandenen Personal?

Originäre Aufgabe des Teams Organisationsangelegenheiten ist die Überprüfung der Aufbau- und Ablauforganisation. Die Empfehlungen können aufgrund des Umfangs nur schrittweise umgesetzt werden. 

In gewisser Weise hat die Untersuchung aber auch bereits Kapazitäten eingespart, da die Handlungsempfehlungen bereits konkrete Anknüpfungspunkte aufzeigen, die sonst erst hätten ermittelt werden müssen. Es gilt natürlich die Empfehlungen sinnvoll abzuarbeiten, ähnliche zu bündeln und mögliche Synergieeffekte zu nutzen.

 

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Auch für die Digitalisierung hat das Gutachten Handlungsempfehlungen erarbeitet (ab S. 75). Gibt es dazu nicht ausreichend Vorgaben im Onlinezugangsgesetz (OZG)? Wäre es nicht Aufgabe von Bund und Land, die Kommunen bei der Umsetzung des OZG zu unterstützen und Handlungsempfehlungen vorzugeben?

Die Kommunen sind staatsorganisationsrechtlich Teil der Länder. Das OZG sieht für alle Ebenen (Bund und Länder mit Kommunen) Umsetzungspflichten vor. Die Kataloge der Leistungen, die ab 1. Januar 2023 über Verwaltungsportale anzubieten sind, sind nach Anbietergruppen getrennt. Die kommunalen Leistungen werden von den Kommunen bearbeitet, wobei pro Land verschiedene Themenfelder der Kommunalleistungen vorgearbeitet werden.

Das heißt: die konkreten Zuständigkeiten, Abläufe und Leistungsbeschreibungen sind von Land zu Land und auch von Kommune zu Kommune unterschiedlich, so dass es zwar grundsätzlich „Vorlagen“ gibt, diese sind allerdings nicht 1 zu 1 adaptierbar. Diese Vorlagen sind gerade in Bearbeitung.

 

Bund und Länder unterstützen zudem die Kommunen, indem sie ein Netz aus Verwaltungsportalen erstellen, die über einheitliche Nutzerkonten erreichbar sind.

Die Kommunen müssen ihre individuellen Angebote in dieses Portalnetz übertragen. Hieraus entsteht ein Mehrwert für alle, denn die ausgefüllten Anträge werden direkt an den entsprechenden Fachbereich geleitet, der die Anträge bearbeitet. Nach Umsetzung des OZG kann dies wie gehabt oder ebenfalls digital und teilweise automatisiert erfolgen.

Und genau hier verbirgt sich die meiste Arbeit, um einen Mehrwert für alle Seiten zu erzielen.

 

110.000€ wurden laut Ratsvorlage für die Untersuchung bereitgestellt. Werden noch weitere Gutachten oder Dienstleistungen der Agentur folgen? Wird dazu ein weiteres Budget benötigt?

Der veranschlagte Betrag war vollständig für die Beauftragung der Agentur vorgesehen und auch erforderlich. Dem gegenüber steht als Leistung ein neunmonatiges Projekt mit einem Kernteam von drei Beratern und einem Projektteam seitens der Agentur, welches um zwei Berater erweitert wurde.

Weitere Gutachten oder Dienstleistungen der Agentur sind nicht beabsichtigt. Teil des Auftrages war auch die Wissensvermittlung an interne Kräfte sowie die Zurverfügungstellung der Ergebnisse in Form von fortschreibungsfähigen Dokumenten. Dies wurde auch erfüllt.

So soll gewährleistet werden, dass die Arbeiten intern fortgeführt werden können ohne die weitere Beauftragung externer Dienstleister.

 

CDU: „Blick von außen kann hilfreich sein“

Ratsherr Peter Groß (CDU) hat bei der Vorstellung des Gutachtens im Hauptausschuss am 2. März teilweise kritisch nachgehakt, zeigt aber auch Verständnis für das Vorgehen: „Es kann schon hilfreich sein, einmal einen Blick von außen zu haben“, sagt er im Gespräch mit anzeiger24.de.

 

Denn klar ist: Der demografische Wandel wird den Schwund an Mitarbeitenden noch weiter verschärfen. Und dann könnte es zum „Kannibalismus der Städte“ kommen, weil sich die Verwaltungen gegenseitig die besten Fachkräfte abwerben.
„Wir erwarten eine ganze Menge von den Mitarbeitenden im Rathaus“, so Groß. Und die Aufgaben werden immer anspruchsvoller.
Ein Grund mehr, die Strukturen im Rathaus zu optimieren.

 

Wir meinen: Unter diesen Gegebenheiten muss der Prozess jetzt aber auch zu einem guten Ergebnis führen. Sonst wären Zeit, Ressourcen und Geld verschwendet worden – die so dringend im Rathaus benötigt werden.

Niemand will, dass sich ein altes Klischee bewahrheitet: „Wer glaubt, dass Unternehmensberater wirklich Unternehmen beraten, der glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten“.

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Foto: 200degrees/Pixabay / anzeiger24.de

 


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